Auf den Spuren von Sandro Platzgummer
Wenn man sich zu einem Gespräch mit dem neuen Runningback der Frankfurt Galaxy trifft, kann man sich auf äußerst spannende, kurzweilige und interessante Minuten einstellen.
„Interview“ wäre das falsche Wort für diese Art der Kommunikation, denn der 27-jährige Innsbrucker entpuppt sich schon nach kurzer Zeit als charmanter Plauderer, der den gut vorbereiteten Fragesteller mit ausführlichen Antworten auf die noch gar nicht gestellten Komplexe kontert. Auffallend ist sofort, wie gut er auch dem interessierten Laien Begrifflichkeiten aus seiner anderen Welt, eben der Medizin erklären kann, den sofort ins Boot holt, ohne mit Fachchinesisch glänzen zu wollen.
Das Pendeln zwischen den zwei Welten scheint dem vielseitigen Österreicher keinerlei Probleme zu bereiten, eher befruchten sich diese zum Nutzen der anderen.
Der Rückblick auf seine Karriere, der Start in der Jugend der Swarco Raiders, der permanente Aufstieg mit unzähligen Erfolgen, das ständige „Sich Messen“ mit älteren Spielern, der zwei Jahre ältere Bruder Adrian, der ihn immer pushte, zeigen seine Ambitionen und die ewige Challenge Platzgummers.
Jede dieser Herausforderungen nahm der Junge aus Tirol stets an, ob nun im Leistungssport oder eben in der Medizin und dem folgenden Studium.
„Einfach kann jeder“ wäre eine passenden Überschrift für seine gelebte Philosophie, ein Aufgeben oder gar den Kopf in den Sand stecken, würde zu Sandro in keinster Form passen. Den notwendigen Test für das folgende Medizinstudium bestand er 2015 mit Glanz und Gloria, besonders in den Bereichen „räumliches Denken und Vorstellungsvermögen war ich richtig gut“, was ja auch nicht unbedingt schlecht für einen Top-Runningback ist.
Ein Auslöser für die Entscheidung pro Medizin fiel schon in frühen Jugendjahren, als eine Sprunggelenkverletzung ihn zu einer Pause mit einigen Arztbesuchen zwang, die folgenden Behandlungen ihn aber für die medizinische Materie begeisterten, der Arztwunsch auf Platz 1 der Berufswahl kam.
Österreichs „Youngstar of the Year 2015“ blieb aber mit seinen Raiders weiterhin auf der sportlichen Erfolgsspur, gewann alle Titel, die man in unserem Nachbarland im Seniorenbereich holen kann, debütierte auch bald in der Nationalmannschaft.
Highlight der Vize-Europameister in 2018, was wohl auch zur Einladung der NFL für deren „International Player Pathway Program“ führte, nachdem Sandro schon länger unter Beobachtung der Scouts aus Übersee stand. Die Aufnahme in den „Practice Squad“ der New York Giants für die Spielzeit 2020 war die logische Konsequenz, damit Platzgummer der erste österreichische Feldspieler, der bei einem NFL-Club unter Vertrag stand.
An diese Zeit bis 2023 blickt Sandro sehr gerne zurück, obwohl er dort als Rookie nicht die Beachtung fand, die er aufgrund seiner Leistungen verdient gehabt hätte. Die US-Boys mit College-Abschluss genossen deutlich mehr Vertrauen der Coaches als der talentierte Ösi. Durchschnittlich acht Yards/Spielzug zu den zwei bis drei der direkten Rivalen sprechen eine deutliche Sprache pro Platzgummer; „aber das Geld spielt schon eine deutliche Rolle in der Liga, die setzen da keinen gedrafteten Millionär auf die Bank“, sieht Sandro die kommerziellen Gründe für seine oftmalige Nichtberücksichtigung.
Doch nie klingen rückblickend Frust, Ressentiments oder gar Kritik am System aus den Worten des Akteurs, eher der Ansporn noch mehr zu tun, es noch besser zu machen.
Dann verschaffte ihm der Teamdoc der Giants einen Platz beim angesehenen „Hospital for special surgery“ in Manhattan, „so dass diese Phase mein Leben maßgeblich beeinflusste, für mich sehr wichtig war“.
Dort hatte er auch des Öfteren Besuch unseres ehemaligen lila Lieblings Laurinho Walch, der heute in San Diego beruflich tätig ist, den Kumpel aus gemeinsamen Innsbruck-Tagen aber in New York bei seinen Trips dann aufsuchte. Den befragte Sandro natürlich, als seine Wechselpläne von Manhattan über Innsbruck nach Mainhattan konkreter wurden, ein „Mach es bloß“ war der Ratschlag des Kumpels aus dessen positiver Frankfurter Geschichte.
Natürlich war auch das Auslands-Praktikum im Frankfurter Markus-Krankenhaus ein wichtiger Grund für die Entscheidung pro Galaxy. Dort tritt Sandro jeden Morgen um 7.30 Uhr seinen Dienst an, durchläuft alle Abteilungen der renommierten Orthopädie am Ginnheimer Wäldchen, bevor es am späten Nachmittag gen Home, zum Einkauf oder ins galaktische Training geht. In der Klinik hat man den angehenden Doktor gut aufgenommen, öffnet ihm viele Türen für einen erfolgreichen Abschluss.
„Was sagt der Mediziner Platzgummer dem Sportler Sandro nach dessen Verletzung im letzten Jahr?“, muss natürlich doch eine Frage folgen, die für den ELF-Club aus Hessen elementar wichtig ist.
Auch hier nimmt sich der Student die Zeit, den Zeitraum von der Verletzung in Stuttgart („Ich wusste sofort was passiert ist“), über die notwendige OP bei einem der besten Kniechirurgen Europas – Prof. Fink in Innsbruck – zu beschreiben (der u.a. auch an David Alaba/Real Madrid den Eingriff vornahm). Das sei alles großartig verlaufen, „im Moment bin ich fast komplett wieder hergestellt, nur ein paar Prozent fehlen mir noch zum Glücklichsein!“, freut sich Sandro über den geglückten Heilungsverlauf.
Der wurde aber beim Spiel in Paris kurzzeitig unterbrochen, als die Nummer 34 sich kurz vor der Pause verletzte, in der zweiten Halbzeit nicht mehr auf dem Spielfeld erschien, auch beim Heimsieg gegen die Wroclaw Panthers geschont wurde. So erhoffen sich die Galaktischen das Comeback vom Comeback am kommenden Sonntag gegen Hamburg.
Und wie lauten die weiteren Ziele?
„Im Frühjahr 2025 möchte ich alle Prüfungen abschließen, mir den Doktortitel abholen, aber zuvor mit meinen Jungs den Pokal aus der ELF in die Luft recken, der fehlt mir ja noch“, ist dies eine weitere Herausforderung, der sich der Mann mit dem weißen Kittel beim Schlüpfen in das purple Trikot stellen wird.
Welcome to Frankfurt, welcome to the purple family „Doc Touchdown“!